Die Messung der Gravitationsrotverschiebung im Sonnenspektrum bestätigt einmal mehr eine Vorhersage der Relativitätstheorie. Der Nachweis wurde u.a. erst durch Simulationen möglich, die von Dr. Hans Ludwig vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg durchgeführt wurden. Mit ihrer Hilfe konnte der störende Effekt der brodelnden Sonnenoberfläche auf die Form von Absorptionslinien gefiltert werden, die für die Messung des Effekts herangezogen wurden. Das Forschungsergebnis wurde in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics, Vol. 643, November 2020 veröffentlicht.
Albert Einstein hat in seiner Relativitätstheorie die Schwerkraft als Folge der Krümmung der sogenannten Raumzeit beschrieben. Doch die beste physikalische Theorie ist nutzlos, wenn sie nicht experimentell überprüft werden kann. Und gerade da konnte Einstein’s Theorie immer wieder punkten und jede Vorhersage mit größter Präzision bestätigt werden, z.B. bei der Ablenkung von Lichtstrahlen durch das Gravitationsfeld der Sonne oder jüngst und spektakulär beim dem Nachweis von Gravitationswellen.
Einen weiteren Test führt nun erneut ein Team von Astrophysikern um Jonay I. González Hernández vom Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC) durch. Die Relativitätstheorie sagt nämlich genau voraus, wieviel Energie das Licht der Sonne von ihrer Oberfläche auf dem Weg zu uns verlieren sollte, wenn es sich aus dem Gravitationsfeld der Sonne quasi befreien muss. Das Ziel des Teams um Dr. González Hernández war es, diese sogenannte Gravitationsrotverschiebung im Licht der Sonne zu messen und mit dem theoretisch vorhergesagten Wert zu vergleichen. Das Ziel war ambitioniert, denn der Effekt ist sehr klein, etwa zwei Teile in einer Million!
Diese Vorhersage ist relativ einfach: den Energieverlust des Lichts kann man als Änderung der Frequenz ausdrücken, die die elektromagnetische Strahlung des Lichts nach dem Verlassen der Sonnenoberfläche in deren Gravitationsfeld erfährt. Man kann dies auch mit der Empfangsfrequenz seines Lieblingsradiosenders vergleichen: würde man die Sendung nicht von einer Station auf der Erde, sondern auf der Sonne empfangen, müsste man die Frequenz des Senders ein bisschen nach unten korrigieren, um wieder einen optimalen Empfang zu haben. Diese Frequenzänderung lässt sich in eine Geschwindigkeit umrechnen, mit der sich die Sonne von uns scheinbar wegbewegen müsste, um denselben Effekt zu erzielen. Der genaue Wert ist 633 Meter pro Sekunde.
Und genau diesen vorhergesagten Wert hofften Dr. Hernández und seine Kollegen durch Beobachtungen des vom Mond reflektierten Sonnenspektrums mit einem hochpräzisen Spektrographen namens HARPS (High Accuracy Radial velocity Planet Searcher) am 3.6 Meter Teleskop der Europäischen Südsternwarte auf dem Cerro La Silla in Chile zu finden.
Im Prinzip mussten sie nur die durch das Gravitationsfeld der Sonne verursachte Wellenlängenverschiebung von Absorptionslinien im Sonnenspektrum mit ihrer ungestörten Position vergleichen. Absorptionslinien werden durch chemische Elemente in den äußeren brodelnden Plasmaschichten der Sonne verursacht, die Teile des Lichts aus weiter innen liegenden Zonen absorbieren, was zu den mehr oder weniger scharfen, talförmigen Fehlstellen im Spektrum führt.
Tatsächlich waren die Messungen jedoch sehr viel komplizierter. Vor allem, weil die brodelnde Auf- und Abbewegung der Gasmassen an der Sonnenoberfläche zu Verzerrungen und Verschiebungen der Absorptionslinien führt, die dem von der Gravitationsrotverschiebung verursachten Signal überlagert sind. Diesen Einfluss auf die Absorptionslinien kann man nur mit Hilfe von Computersimulationen der äußeren Sonnenschichten berücksichtigen, indem man die Form der Absorptionslinien berechnet, wie sie ohne die Gravitationsrotverschiebung aussähen.
Dr. Hans-Günther Ludwig vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg und einer der Co-Autoren des Forschungsberichts ist Experte für solche Berechnungen stellaren Spektren auf der Grundlage von dreidimensionalen Simulationen ihrer äußeren Schichten. „Meine synthetischen Absorptionslinien dienten dazu, den Einfluss der konvektiven Blauverschiebung rauszurechnen. Die Blauverschiebung durch Konvektion macht in der Sonne typischerweise 300 m/s aus, was der Gravitationsrotverschiebung überlagert ist“ erklärt der Astrophysiker. „Die berechneten synthetischen Spektren unter Berücksichtigung aller möglichen Effekte zeigten sogar, dass Absorptionslinien des Elements Eisen durch konvektive Bewegungen und zusätzliche Temperaturschwankungen in der Sonnenatmosphäre um bis zu 500 Metern pro Sekunde zu kürzeren Wellenlängen verschoben werden. Diese sogenannte Blauverschiebung ist damit von der Größenordnung der durch die Gravitation verursachte Rotverschiebung von 633 Metern pro Sekunde“.
Dennoch gelang es den Forschern, den Wert der Gravitationsrotverschiebung im Spektrum der Sonne anhand der zahlreich in ihrem Spektrum vorhanden Absorptionslinien des Elements Eisen zu messen. Für diese stehen präzise Labormessungen ihrer Ruhewellenlängen zur Verfügung, die für die Bestimmung der Gravitationsverschiebung - der Differenz zwischen der im Labor gemessenen Wellenlänge und der im Sonnenspektrum gemessenen Wellenlänge - unerlässlich sind. Diese Labormessungen wurden mit einem neuartigen sogenannten Laserkamm durchgeführt, der dem Sonnenspektrum extrem genaue bekannte Wellenlängen überlagert.
Nach ihrer aufwändigen Analyse ermittelten die Wissenschaftler einen Wert für die Gravitationsrotverschiebung von 638?±?6 m?s?1, was im Rahmen des Messfehlers hervorragend mit dem theoretisch vorhergesagt Wert von 633.1 m?s?1 übereinstimmt. Albert Einstein hätte sich über das Ergebnis sicher gefreut, aber es hätte ihn wohl auch nicht gewundert.
ORIGINALE PUBLIKATION
Gonza?lez Herna?ndez, J. I. et al. "The solar gravitational redshift from HARPS-LFC Moon spectra. A test of the General Theory of Relativity.” A&A, 2020: arXiv_2009.10558: arxiv.org/pdf/2009.10558.pdf DOI: doi.org/10.1051/0004-6361/202038937
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